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Des Lebens ganze Fülle


Fülle – ein Thema mit dem ich mich gerade jetzt oft beschäftige - am Ende eines langen Winters und kurz vor Aufbrechen der Kräfte des Frühlings?

Die Fülle des Lebens ist Ergebnis eines lebendig gelebten Lebens. Die Fülle ist das Einzige, was mein Leben mir zu bieten hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In aller Tiefe Tragik erleben zu können, in höchste Höhe Freude zu empfinden, das gehört für mich zur Fülle dazu. Das Leben bietet genug Anlass für alle diese Facetten.

Nicht mehr in diese Widersprüche eintauchen zu wollen oder zu können, heißt für mich, das Geschenk des Lebens nicht ganz zu nehmen. Es geht darum, Wege zu finden, wie die lebendige Fülle wieder Teil meines Lebens wird. Dazu gehört es, Hindernisse für die Fülle in meinem Leben aufzuspüren und aktiv aufzulösen. Zu üben, die Fülle für den Moment zu leben, sie im Augenblick zu

entdecken, sie als das zu erkennen, was das Leben mir zu bieten hat. Das empfinde ich täglich als neue Herausforderung für mich.

Wenn ich genau hinschaue, begegne ich dieser Fülle in mir. Dabei erlebe ich, dass sie lange geduldig auf mich gewartet hat - auf den Moment unseres Zusammentreffens. Und diese Begegnung fühlt sich groß an. Sie ist nicht vergleichbar mit irgendeiner erlebten scheinbaren Fülle im Außen - sie ist schon da, ohne mein Dazutun, ohne meine Anstrengung, ohne alles Gold der Welt - und nur für mich!

Der menschliche Geist produziert jede Minute 80 Gedanken, die permanent prägend auf unsere Stimmungen und Handlungen im Unbewussten einwirken. Wie wenig nehme ich meine im Untergrund hochaktive innere geistige Fülle eigentlich im Alltag wahr?

Die Übung ist ganz einfach: Ich werde still und höre zu und lasse mich Schicht für Schicht in meine eigene Tiefe hineinsinken. Wenn ich mich hineinbegebe, ruhig werde in meiner eigenen tiefen Mitte und einfach nur nach Innen schaue, in mich hineinhorche und warte, dann bin ich plötzlich von dieser besonderen höchsten Fülle umgeben, die nur mir gehört.

Meine mir zum Teil noch unbekannte Fülle macht sich mir vertraut, ich bin dann von ihr umgeben. Sie ist einfach da, ich brauche gar nichts zu tun. Ich brauche mir lediglich die Zeit zu nehmen, der Fülle in mir zu lauschen.

Zeit, Ruhe, Geduld sind förderlich, um die eigene Fülle in mir selbst kennen zu lernen.

Für mich ist diese Fülle unendlich und sie braucht kein Dazutun. Diese Fülle verbinde ich mit dem, was ist, was zu meinem Leben gehört und mit dem, was weit durch dieses Leben hindurch und darüber hinausgeht. In dieser Fülle fühle ich mich geborgen im Leben und im Tod.

Verführerisch scheint häufig die Fülle im Außen zu sein, die nicht meine ist. Die Fülle, durch die andere Menschen glänzen. Das Gut, das zu ihnen gehört, scheint mir nur solange ein bereicherndes Ziel für die eigene Fülle zu sein, solange ich den Mittelpunkt in mir noch nicht gefunden habe.

Oder wie Laotse sagt:„Erreiche den Gipfel der Leere, bewahre die Fülle der Ruhe, und alle Dinge werden gedeihen“.


Ulrike v. Bergmann-Korn

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